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Eine Straße in Berlin

6. August 2019 2 Comments

 

Da sitze ich also so auf dieser wahnsinnig unbequemen Bank vor unserem Haus im Prenzlauer Berg direkt an der Straße mit dem  Namen Prenzlauer Allee im Herzen des Prenzlauer Berg im Herzen von Berlin. Der Rücken schmerzt nach gerade mal fünf Minuten lümmeln. Der städtische Konstrukteur dieser Sitzgelegenheit hatte bei der Schaffung dieses Artefaktes anscheinend keinen so schönen Tag. Vielleicht war er ein wenig unzufrieden und ließ seine Missstimmung an der Bevölkerung dieser minder schönen Straße aus. Vor dieser Bank schlängelt sich der Fahrradweg ungerührt von diesem Bankmalheur zwischen der Prenzlauer Allee und der Bank an mir vorbei. 

Und auf dem fahren auch die trendigen E-Tretroller Fahrer, die in Höchstgeschwindigkeit sogar bemühte Rennradfahrer im nicht mehr ganz so trendigen Alter von, sagen wir mal so um die 40 plus, mühelos und emotionslos abhängen. Mit ihren 20 km/h. Da platzen massenhaft Träume und der Glaube an ein ewiges Leben. Was auch mich traurig macht. Diese brutale Erkenntnis. Eingekerbt in den vor körperlicher Überanstrengung zerfurchten Gesichtern der vor den Lebensrealitäten eingeholten Menschen auf ihren Sportbikes, nach einem noch anstrengenderen Arbeitstag. Eingeholt von einem E-Tretroller. Ein Gefährt wie eine gnadenlos ehrliche Psychotherapie.  So ist das Leben manchmal. Da kann sich die Stirnfalte der Rennradfahrer vor Kummer auch noch so weit nach hinten in Richtung Halbglatze rollen. Da gibt es kein Entrinnen. Für nichts und niemanden.

Auf der vierspurigen Straße hinter dem Fahrradweg quetschen sich derweil endlose Autokaravanen aus der Wahnsinnsmetropole Berlin in Richtung Brandenburg und schicken sich an, den Speckgürtel der Stadt mit ihren schicken, großen und kleinen PKW‘s, SUV‘s und auch Lieferwagen zu fluten. Oder sie drängeln sich hinein in den Moloch Berlin‘s, beides ist ja jederzeit möglich. So ein Gefährt bietet ja unendliche Möglichkeiten der Ausdehnung der Menschheit in Raum und Zeit. Auf jeden Fall wirkt das auf mich als Banksitzer alles höchst beeindruckend. Soviel Mobilität, Moderne, Weltoffenheit. Auf meiner Prenzlauer Berg Bank kann ich sie förmlich spüren. Die Halsschlagader der Urbanität.

Dieses unscheinbare Refugium lässt dann nach gewisser Zeit des Aufenthaltes auch meine Atemwege neugierig werden und die interessantesten Luftbestandteile erschnüffeln. Und da denken sich meine Bronchien und die Lungenbläschen, aufgeschlossen, wie sie nunmal sind, dass so ein Platz schon auch phantastische, luftexperimentelle Abenteuer birgt.

Und ich höre oder spüre, wer weiß das schon so genau, was ich manchmal so höre und spüre, sie förmlich und interessiert diskutieren. Da sagt zum Beispiel die Bronchie vorne links oben in der Ecke meines Thorax auf einmal voller Begeisterung zum Luftbläschen im rechten  Lungenflügel im unteren Lappen, so kurz vor der Peripherie der Leber, dass so ein Schwall Stickoxide doch wunderbar anregende Aromen mit sich führen würde.

Was eine leicht arrogante und eigenwillige Interpretation der Situation ist, wie das kleine Luftbläschen da unten rechts jetzt treffenderweise anmerkt.

„Na du findest ja auch ein Maximum an Nikotin plus Tabakzusatzstoffen erregend. Bist schon auch merkwürdig in deiner Wahrnehmung der Welt,“ erwidert deswegen das kleine Lappenlungenbläschen, sieben Zentimeter unter dem aufgeregt pochenden Herzen in mir und wendet sich seiner Bestimmung zu:

Dem eher extrovertierten Husten. Der mit dem schwierigen Auswurf und der Erstickungsneigung. Auf jeden Fall tut es so, als würde es jetzt final dem Ende entgegen gehen. Das macht ja gerne mal auf Drama, das Lungenbläschen. 

Vielleicht liegt der Auswurfhusten ja auch daran, dass ich auf meinem Platz auf dieser Bank mit meinen verschlungenen Atemwegen direkt auf der Höhe der Autoauspüffe mit den in die Luft gepusteten Abgase sitze. Da verirrt sich schon mal eins dieser in der Luft zirkulierenden Rußteilchen in meiner Kehle. Oder zwei und mehr. Vom Reifenabrieb gar nicht zu schreiben. Aber das möchte ich meiner Lungenfunktion auch nicht alles erklären, was da alles so abgeht. Denn ich habe natürlich eine Verantwortung und schwadroniere ungern über die Geheimnisse der irdischen Atmosphäre mit ihren Unwägbarkeiten. Manchmal ist es wirklich besser, wenn meine inneren Organe nicht alles wissen. Zumal so eine Bronchie auch gern sensibel ist. Die kann schon auch unter der Last der Offensichtlichkeit in sich zerplatzen. Und so einen blutigen Auswurf möchte nun wirklich niemand. Hier gilt dann wirklich und mit voller Überzeugung der Ausspruch: Nichts sehen, nichts hören, nichts … Ach, ihr wisst schon. Das Eklige hält man ja zurecht gerne fern von sich und allen anderen.

Um nochmal die Kurve zu kriegen, bevor ich dem Erstickungstod auf dieser Großstadtbank anheim falle und ich mal von der angespannten Luftqualität an diesem Platz absehe, ist dieser Ort die Keimzelle für die großen, kleinen und dramatischen Geschichten des Lebens. Was man erst einmal nicht glauben würde. Aber so ist es tatsächlich.

Zum Beispiel das organisierte Verbrechen und andere alltägliche Dinge. Niemand würde sie im beschaulichen Prenzlauer Berg vermuten. Also das organisierte Verbrechen. Aber es ist genau hier. Nicht direkt an dieser Stelle. Also auf meinem Platz auf der Bank. Aber fast. Manchmal nur fünf bis zehn Meter von mir entfernt. Und ja, da fröstelt es mich. Mit abstehenden Flimmerhärchen auf meinen Unterarmen und allen anderen erdenklichen körperlichen Abwehrreaktionen. Schauderhaft. Also verfolgt mit mir das überraschende Leben in dieser aufregenden Straße. Einmal wöchentlich. Wenn nicht wieder irgendwas passiert. 

Allgemein

maikfagin

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Comments

  1. Oliver Döstrup says

    15. September 2019 at 14:52

    Grossartig , hat ja ein bisschen was von ‚ Es war einmal …das Leben .

    Antworten
    • maikfagin says

      5. Oktober 2019 at 15:09

      Ja, das Leben, Olli. Genau bei mir erfährt es die nötige Wertschätzung. Wer interessiert sich denn heute noch für das Leben? Die Welt ist so schnell und oberflächlich geworden.

      Antworten

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